Stoffspielerei im November: Stecker-Attrappe

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Heute sammle ich hier Beiträge für die monatliche „Stoffspielerei„. Dazu hatte Google einige Mottovorschläge gemacht. Mein November-Projekt fällt unter „Frau macht Handarbeit“, dazu aber später mehr. Zunächst mein Beitrag: Ich habe zwei ausrangierte Stücke gerettet, indem ich einen hauchzarten Seidenschal auf ein langweiliges schwarzes Wollkleid nähte. Das Raffen und Applizieren der Seide war schwieriger als gedacht, den Plan eines regelmäßig plissierten Dreiecks musste ich mangels Kunstfertigkeit aufgeben.  Den eingereihten Schal habe ich direkt auf den Ausschnitt genäht und dann jede einzelne Falte mit feinen Stichen längs festgenäht, eine ziemliche Arbeit. Im Grund habe ich diese Technik aus dem Buch Manipulating Fabric noch einmal benutzt.

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Schwieriges Novemberlicht, schwierige Farben für ein Foto.

Gleichmäßig perfekte Falten hätte ich sicher nur erhalten, wenn ich den Seidenschal vorher sorgfältig in markierten Abständen eingereiht, gestärkt und auf ein festes Dreieck aufgenäht hätte.  So ist es nun ein eher organisches Faltenbild geworden, das mir auch gefällt. Am Ende habe ich als Umrandung noch diese Häkelkette aus alten Münzen aufgenäht. (Nachtrag: Ausruf einer Freundin eben „Oh, da ist mein Ostgeld!“)  Nun ist das Kleid ein bisschen interessanter und wurde schon mehrmals getragen. Es hilft auch sehr, dass der Ausschnittbereich innen nicht mehr kratzt , weil dort nun das andere Ende der Seidenschal noch als Futter dient. Die Tragechancen haben sich wesentlich erhöht.

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Scheint mir auch noch etwas von Mrs. Hughes Look in Dowton Abbey, 4. Staffel, drin zu stecken

Zu den Ideen hinter dieser Verzierung habe ich noch mehr zu erzählen, aber zunächst einmal will ich hier andere Beiträgen verlinken, zu denen hoffentlich – trotz Adventssonntag und naher Weihnacht – einige gekommen sind.

Griselda hat auch etwas Ungeliebtes gerettet und sich mit einem Tarnkleid glücklich genäht! (Und ich sehe gerade, dass da in den Kommentaren auch schon schön philosophiert wird zum Thema Nähglück, schaut mal rein).

Sabine hat mit Stoffdruck experimentiert und denkt über Werkstolz, Schaffensfreude und Kopfarbeit nach.

Frifris schreibt mit einem Wundernähmaschinenteil und zeigt, wie sie die Löchern vom letzten Mal weiterverarbeitet hat.

123-Nadelei hat sich beim Patchen und Quilten von Sonia Delaunay inspirieren lassen.

Falls ich euch nicht finde, meldet euch, ich liste euch auf!  Zum nächsten Termin am 31.12.2014 [NEU: geplant ist jetzt der 25.Januar 2015!]  ist Frifris als Linksammlerin eingeplant, und sie hat auch schon ein Motto: ECKEN!  Sehr gut.

TERMINVERSCHIEBUNG auf voraussichtlich Ende Januar, 25.1.2015

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Und für alle, die nun noch mehr wissen wollen ein bisschen Vorgeschichte zu meiner Kleidverschönerung:

  • Im Schrank habe ich zu viele Kleider und zu viele Tücher, die ich nie trage.
  • Früher wurde ein Kleid manchmal ein ganzes Leben lang genutzt und nur durch Änderungen von schmückenden Bestandteilen immer wieder aufgepeppt.
  • Solch ein auswechselbarer Bestandteil war im 17. und 18. Jahrhundert der „Stecker„, ein dreieckiger Brusteinsatz, der mit Nadeln festgesteckt wurde. MarieLeopoldineAnDesLipDet.jpgWikiCmonsMetmuseum
  • Bei den Trachten gab es ebenfalls Brustlätze. In einer niederländischen Datenbank hatte ich ganz tolle gefältete Trachteneinsätze gesehen.
    Opgelegde Beuk/Brustlatz, Niederlande, 2. Hälfte 19 Jhd., GVNL

Solche feinen Falten gehörten früher zum Handwerk und in diesem Lehrbuch über das Handnähen von 1905 wird auch gezeigt, wie das geht. Da näht man dann auch jede einzelne Falte noch einmal am Beleg fest – auf dem linken Zeigefinger tragen Rechtshänder dafür einen Metallschutz.

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Ausschnitt aus „Hand Sewing Lessons„, das Metallteil links ist ein Zeigefinger-Schutz

Hier noch einmal ein Beispiel von 1840.

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Ich finde dieses Faltenbild nun noch beeindruckender, nachdem ich erfolglos versucht habe, das nachzumachen.

Was hat das alles jetzt mit dem von Google vorgeschlagenen Motto zu tun? (Das war übrigens im Hinblick auf Geschenkeproduktion mit Absicht ganz weit gewählt).

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Ich frage mich ja immer, warum Handarbeiten mit Frauen verbunden werden. Nachdem doch historisch zunächst die Männer mit ihren Zünften alle Textiljobs besetzt hatten. Dazu habe ich in einem Text über höfische Kleidung im 17. Jahrhundert eine Bemerkung gefunden, die ich sehr interessant finde und der ich in Zukunft noch weiter nachgehen möchte.

Obwohl die Kleidung der Damen wie die der Herren aus prachtvollen, reich dekorierten Stoffen gefertigt wurde, waren Zuschnitt und handwerkliche Ausführung nicht gerade perfekt. Es gab grob verfertigte Nähte und unpräzise Zuschnitte. Perfektion wurde in dieser Hinsicht erst im 19. Jhd. erreicht, nachdem die Schneidergilden verschwunden waren und weiblichen Fachkräften Platz gemacht hatten, die – obwohl schlecht bezahlt – mit größter Sorgfalt zu Werke gingen.

Hier passt nun mein kleines Projekt hin: Die Stecker wurden damals nicht von den Schneidern gefertigt, sondern von den Modehändlerinnen, auch genannt Putzmacherinnen, die die Accessoires zu den Kleider fertigten. Und die feinen Fältelungen waren eine Domäne der Weißnäherin, noch ein historischer Frauenberuf, zu dem es keinen Wikipedia-Eintrag gibt. Aber das führt nun alles zu weit. Ich höre jetzt auf und mache mir einen Kaffee zum 1. Advent. Wünsche allen einen schönen Sonntag!

15 Kommentare

  1. Interessant, dieses letzte Zitat – sehr grobe und schludrige Nähte sind mir in Museumskollektionen auch schon aufgefallen. Ich dachte natürlich, dass das dann kein Profiwerk war, sondern eine ungeübte Hausfrau mit Nadel und Faden herumgeändert hat. Dass die Verhältnisse (mal wieder) anders liegen, ist ja sehr spannend.
    Ich hoffe die Verhältnisse sind demnächst mal wieder so, dass ich Ende Dezember wieder dabei bin. Obwohl mich Handarbeiten glücklich macht, ist außer ein bißchen stricken immer nur eine Naht am Abend drin.

    • Wegen der Nähqualität: Das ist auch das erste Mal, dass ich so etwas gelesen habe, da schaue ich mal, was ich noch dazu finde.
      Wegen Terminschwierigkeiten: Es gibt inzwischen so viele Nähaktionen, vielleicht sollten wir mal Pause machen mit den Spielereien, oder größere Abstände? Können wir ja mal überlegen.

  2. Das mit den groben Nähten der Schneider ist wirklich einprägsam, ich habe nur einmal alte sakrale Gewänder genauer anschauen dürfen, die waren sehr sorgfältig gearbeitet. Allerdings von Nonnen…. So von außen wäre mir in Museen nicht aufgefallen, dass bei normaler Bekleidung geschludert worden wäre. Ich gäbe was drum, wenn ich eine Seidenrobe aus den 17 Jh. mal von innen angucken dürfte.
    Diese steifen regelmäßigen Falten bekommst du recht einfach, Trachtenschürzen werden oben auf einem Trägermaterial so eingereiht. Google mal in der Bildersuche nach „Hansel Schürze“ das ist eine gängige Technik in der Trachtenschneiderei.
    Aber du hast das ja auch so gut hinbekommen, das unregelmäßige wird dem Muster auch viel gerechter. Und Seide ist gerade am Dekolleté viel besser als Wolle, das kann ich gut verstehen……

    • Schade, das hätte ich glaube ich gern probiert mit dem Trägermaterial. In dem englischen Buch gab es ein Fachwort in die Richtung, hatte keine Zeit, das in Ruhe zu recherchieren. Vielen Dank für den Hinweis!

  3. Äääh , Modistinnen hießen früher Putzmacherin . Sowas habe ich früher mal gelernt , also Modistin .
    Der Stoffeinsatz sieht gut aus , das werde ich für mich selbst mal merken .

    • ja, da gibt es Begriffsveränderungen bei Modehändlerin/Putzmacherin/Modistin. Früher haben die ja nicht nur Hüte gemacht, sondern alles. Wurde das in deiner Ausbildung so verstanden, dass Putzmacherin = Hutmacherin ist?

      • Ja, ich habe Hüte gemacht , ja in früheren Zeiten wurde Putzmacherin gesagt . . Meistens waren die Hüte aus Filz . Die Filzstulpen wurden über Wasserdampf und auf Hutformen aus Gips in Form gebracht . Für die Prüfung habe ich lernen müssen wie man aus Hutdraht Gestelle biegt um darauf Stoffe drapieren zu können ……… Das ist schon lange her , über 40 Jahre . Manchmal wurden Pelzkragen oder Kravatten gemacht .
        Damals und außerdem in der kleinen Vorstadt im Ruhrgebiet waren die Hüte und Kappen ziemlich altbacken . Neuerdings sehe ich diese Krimis aus England , yeah , die haben echt schicke Hüte . Richtig bewunderswert .

  4. Deine Detektivarbeit zur Textilgeschichte ist etwas besonderes in der Blogg-Welt, ich lese sie gerne und sie inspiriert mich.
    Ungleichmäßige Faltung passt auch meiner Ansicht nach besser zu Deinem Einsatz.
    Interessant finde ich auch den Metallschutz, den Du gefunden hast, überlege wie sich so was mal simulieren lässt.
    Gemälde mit historischen Gewändern werde ich nun mit ganz anderen Augen sehen wo ich weiß, dass das Teil vorne separat ist. Überhaupt finde ich die Idee eines separaten Accessoires zur Ergänzung von Basiskleidung interessant.

  5. Liebe Suschna, könntest du mir freundlicherweise die Quelle für dein Zitat nennen? So generell würde ich das nicht unterstreichen wollen, aber es gibt tatsächlich verblüffend „großzügig“ gearbeitete Gewänder aus ausgesprochen kostspieligen Materialien. Ich hatte es bisher eher so interpretiert, dass gröbere Stiche ein damals übliches Umändern erleichtern. Aber natürlich finden sich auch sorgfältig gearbeitete Stücke.

    • Ja klar, das ist aus: Liselotte von der Pfalz, Madame am Hofe des Sonnenkönigs, Hrsg. Sigrun Paas, 1996, Kapitel „Die Höfische Mode“ von Hélène Loetz, S. 194

  6. Jetzt komme ich auch zum Schmöckern. Wieder ein feines Thema: eine entfernte Tante, Jahrgang 1901 hatte 2 Kleider, die mit solchen Einsäzen immer wieder neu und anders ausstaffiert wurden, Eines war geblümt und eines in uni. Sie hatte lauter Teile zum Dahinterstecken, alle in weiß, aber der Charakter sehr veschieden. Das Kleid war natürlich von einer Schneiderin und saß perfekt.
    Bei St. Petersburg im Jekatarinenpalais habe ich ein Originalkleid einer Zarin gesehen und war damals total entsetzt wie schlampig das in meinen Augen genäht war.Der Stoff kostbar, ohne Frage.An Erlärungen habe ich geknobelt, aber konnte mir nur vorstellen, dass bäuerliche Nähmädchen das gemacht haben, die sonst nur mit grobem Zeug (BW/Leinen) hantieren mußten. Die Stoffe wurden ja ins Land gehandelt und nicht dort hergestellt. Aber alles Theorie!
    Aber ich denke schon, dass man da in Ländern, die auch feine Stoffe selber hergestellt haben, in der Verarabeitung weiter war!
    Besagte Tante hatte diverse Nachthemden von der Weißnäherin!
    VG karen

    • Solche weißen Spitzeneinsätze von Anfang letzten Jhds habe ich auch einmal in einem Nachlass gesehen und konnte mir das gar nicht vorstellen, da will ich auch noch einmal hinterher. Wie gut, dass du so ein Quell an Wissen bist!

    • Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe hier so ein Buch mit Details von damaligen gefalteten Kragen, da hättest du bestimmt auch viele Tipps dazu. Vielleicht kann ich dich dazu ja ggf. mal was fragen.

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