Schürze und Gender

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Ein Foto aus meiner Sammlung: Frauenrunde in Servierschürzen. Weiße Spitzenschürzen der Kategorie „Zierschürzen“. (Die Gruppe hat fürs Foto einen Tisch, Stühle, Geschirr und Kuchen in den Schnee geschleppt. Mehr weiß ich dazu auch nicht, aber ich finds toll.)

Und auf Wunsch einer Kreuzberger Bloggerin im Kochschürzen-Sew-Along  bin ich in den Keller gestiegen und habe diese Schürze gefunden.

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Sie scheint selbstgenäht zu sein, mit der Maschine. Innen Kappnähte. Feine gestreifte Paspeln stecken in den Nähten. Dunkelgraue Schrägbänder am Ausschnitt, den Taschen und Säumen.

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Aufgrund des Schnitts und des Stoffmusters schätze ich die Schürze auf die 1930er/40er Jahre. Aber auch in den 60er Jahren könnte eine ältere Dame gern noch so einen Schürzentyp getragen haben.

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(Vielleicht war es ganz glücklich, dass ich kein Tageslicht zum Fotografieren hatte. Die Farbe kommt bei dem Kunstlicht nämlich ganz gut raus. Bei Fashion Hero habe ich inzwischen gelernt, dass Online-Shops keine schwarzen Kollektionen kaufen, weil schwarze Kleidungsstücke schwer zu fotografieren sind und online nichts hermachen, die Leute sofort weiterklicken. Interessante Persepktive für die Mode in Zukunft, wenn wir alle nur noch online einkaufen.)

Eigentlich wollte ich ja nur mal kurz die Schürze aus meinem Fundus zeigen. Und ein bisschen mehr über Schürzen rausfinden, die in meinem Leben nämlich überhaupt keine Rolle spielen.

Aber da geriet ich gleich in schweres Gender-Fahrwasser. Und zwar in Form des Buchs „Schurz und Schürze: Kleidung als Medium der Geschlechterkonstruktion“ von 2002.

Ich lernte, dass der „Schurz“ des Handwerkermeisters im Mittelalter noch Statussymbol eines stolzen Mannes war.   Mit Beginn des Bürgertums „degenerierte“ die Schürze dann aber nach Sicht der Autorin zum Attribut des fleißig dienenden unterdrückten Hausmütterleins. Und dieses Hausmütterchen sollte mit der Pflicht zu textilen Arbeiten  in ihrem niederen Status gehalten werden.  Ich las mal wieder von der These der „Nadelarbeiten als weibliche Sozialdisziplinierung“, als Unterdrückungsinstrument, die ich in diesem Blogbeitrag* schon erwähnt hatte.

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Mit Blick aus der Welt der heutigen Handarbeits- und Nähblogger, die begeistert freiwillig für sich und ihre Lieben stricken und nähen, muten solche Betrachtungen sehr seltsam an.

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Die Zeiten haben sich geändert und es wäre schön, wenn die Geschichte von Textilien und textilen Arbeiten jetzt ohne ideologische Scheuklappen untersucht werden könnte.  Frauen stehen inzwischen so weit über den Dingen, dass sie Schürzen als virtuelle Gemeinschaftsaktion im Sew-Along  nähen und sich darauf freuen, ihre Gäste in Servierschürzen zu empfangen. Ich bin sehr dafür! Endideologisiert die Schürze! Sie ist toll! Männer tragen sie auch, besonders in der Küche!

Ich persönlich habe noch nie eine umgebunden, sie stört mich irgendwie physisch. Aber was mir an dem Schürzenthema gefällt, ist folgende Idee, frei nach Wikipedia: Der Wechsel in die Schürze symbolisiert einen rituellen Übergang von einer Tätigkeit  in eine andere. Das finde ich eigentlich einen guten Aspekt, wenn man persönlich dazu neigt, Arbeit und Privatleben zu vermischen. Also, vielleicht hänge ich mir doch eine Arbeitsschürze in meinen Werkraum. Um ernsthaft bei der Sache zu sein. Wie ein mittelalterlicher Handwerksmeister.

…………………..

*Nachtrag, Zitat von dort: „Abhandlungen über die Geschichte der Handarbeiten gibt es nicht sehr viele. Und je nach feministischer Ausrichtung gehen die Schilderungen meist von der These aus, dass Handarbeiten als Unterdrückungsinstrument benutzt wurde. Das ist natürlich schrecklich verkürzt.  Gerade wenn man – wie ich –  voller Bewunderung auf die damaligen Kunstfertigkeiten schaut, wünscht man sich eine differenziertere Betrachtungsweise.“

22 Kommentare

  1. „Aber auch in den 60er Jahren könnte eine ältere Dame gern noch so eine Schürze getragen haben.“
    :-) Ich wurde 1960 eingeschult und musste über meinem Schulkleid immer eine „gute“ Schürze tragen. Heute, als ältere Dame, trage ich lieber Jeans und T-Shirt.
    Liebe Grüße

    • Oh, das meinte ich anders. Klar trugen in den 60ern noch alle Generationen Schürzen. Es ging mir um die Datierung dieses Schürzentyps auf ein Jahrzehnt, d.h. den Zeitgeschmack. Die in den 60ern modischen Schürzenformen sahen anders als diese Schürze hier. Aber es kommt ja vor, dass man, wenn man älter ist, lieber die Mode früherer Jahrzehnte beibehält. (Geht mir selber so je älter ich werde). Vielleicht verbessere ich meinen Satz lieber, damit er nicht missverstanden wird. Vielen Dank für den Hinweis!

  2. Oh, danke! Da steckt wieder so viel spannende und nachdenkend machende Information in deinem post.

    Das Foto deiner Schmuckstückschürze lässt mich auf jeden Fall schon mal innehalten in meiner Näh-mal-schnell-neSchürze-Aktivität und dein Text einige meiner grundlegenden Assoziationen zu Schürzen auf meine unstrukturierte Art reflektieren.
    Sowohl an den weißen Servierschürzen als auch an deiner Kellerschürze sind so liebevoll gearbeitete Details. Einen so hohen Stellenwert würde eine Schürze bei mir nie haben, der solch eine mühsam-kleinteilige Herstellung rechtfertigen würde.
    Grundsätzlich stehe ich dem Thema Schürze emotional überhaupt nicht neutral gegenüber. Ungeachtet des Themas als grundsätzlichem Teil der Geschlchterfrage rufen z.B. richtige Kittelschürzen, wie sie üblicherweise in meiner Kindheit von den Müttern getragen wurden, in mir sehr ambivalente Emotionen hervor. Beklemmung über diese Art des Hausfrauendaseins spielt da sehr stark rein. Zu allem Überfluss waren in den 60-er Jahren moderne Küchen als häuslicher Arbeitsraum häufig recht enge schmale Räume (manchmal sogar fensterlos), wo die Hausfrau ganz allein mit ihrer Kittelschürze werkelte bis das Essen über die Durchreiche in den Essraum an die Familie weitergegeben wurde. Insgesamt eine von mir als traurig empfundene Situation.
    Andererseits meine ich mich zu erinnern, dass in den 70-ern die Schürzenmode dem Trend in Courrège-Art folgte. So gab es doch einige Jahre poppig bunte, hochglänzende Vollplastikmodelle mit einer in einem runden Kreis eingebauten Tasche. Die fand ich toll und modern, leider war das Plastik unangehem hart (und bestimmt auch sehr giftig!)

    Ich habe für den sew-along eine -hoffentlich erkennbar- eine leicht ironische Herangehensweise gewählt, andernfalls könnte ich nicht vorbehaltlos ein 50-er-Jahre Hausfrauenglücksmodell nähen.

    Ich erkenne und nutze zugegebenermaßen den Vorteil von Schürzen mit recht belanglos funktionellen Modellen sehr wohl. Um beim Kochen/Backen etc. die andere Kleidung zu schützen. Was in der Kindheit meiner Mutter auch der Grund war, den Kindern (oder nur den Mädchen??) Schürzen über die normale Kleidung zu ziehen, so dass vorwiegend nur die Schürzen gewaschen werden mussten. Einem Kommentar zu meinem Schürzen-Sew-along-post entnehme ich, dass das auch in den frühen 60-ern noch üblich war.

    Den Aspekt des rituellen Übergangs kann ich sehr gut nachvollziehen. Der Begriff bringt es wirklich auf den Punkt!
    Ich habe mir z.B. auch schon Gedanken gemacht, mir mal eine genau auf meine Bedürfnisse zugeschnittene Nähschürze zu machen. Mit einer großen Bauchtasche und ein paar ausgewählten Möglichkeiten die immer wieder gesuchte Schere oder den Nadeleinfädler (ohne den bei mir nichts geht!) unverlegbar zu befestigen. Und damit tatsächlich vor allem insgeheim die leise Hoffnung verbunden, mit dem Überstreifen der Schürze dem Nähen/Rumwerkeln eine stärkere Ernsthaftigkeit zu verleihen. Im Sinne von konzentriertem Arbeiten, Dranbeiben.
    Bin gespannt auf weitere Kommentare.

    LG
    Wiebke

    • Na klar ist die Herangehensweise ironisch und witzig, das ist für mich offensichtlich. Ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass jemand die Ironie vielleicht nicht erkennt, aber davon muss man wohl ausgehen. Und wenn man Ironie erklären muss, dann ist der Witz auch weg. Schön, deine ambivalenten Betrachtungen. Bitte mach mal eine ganz liebevolle Schürze.

  3. Ich freue mich immer, wenn „suschna“ in meinem blogroll auftaucht. Dank für den wieder interessanten Beitrag!
    Ein Schürzenaspekt, der im Kommentar von Wiebke auch auftaucht, ist der ökologische. Ich erinnere mich gut, dass wir in den 60gern als Kinder nur einmal in der Woche frische Klamotten bekamen. Wenn wir irgendwas machten, was sie beschmutzen könnte, gab es Schürzen. In der Küche gab es welche. Aber auch eine spezielle Schuheputzschürze z.B.. Wenn mein Vater was im Keller machen musste oder im Garten, zog er einen Kittel über.
    Die Waschmaschine lief so nicht täglich, trotz 5 Kindern und Tante im Haus. Sondern eben nur wöchentlich.

    Was ich liebe an Schürzen ist, hemmungslos meine Hände dran abzuwischen. Darum sieht meine Werkstattschürze niemals fein aus. Die Feine- Schürzen- Mode ist bestimmt auch eher ein Symbol dafür gewesen, dass eine Frau und ein Mädchen prinzipiell immer zur Arbeit breit zu sein hatten, eben dienende Funktion hatten. Da lob ich mir meine Suddelschürze…
    Herzlichst
    lisa

  4. Das ist ein schürzenloser Haushalt hier. Ich hatte schon mal einen Artikel über Schürzen angefangen, wenn ich den wiederfinde, poste ich ihn noch. Kittelschürzen, also quasi Schürzen, die Kleider sind, symbolisieren alles, wovor meine Mutter Anfang der 60er Jahre geflohen ist. Für sie waren Jeans in jeder Lebenslage eine echte Befreiung. Ich finde es ganz interessant, dass westdeutsche Nähbücher aus den 60ern die Kittelschürze auch eher ablehnen. Es gibt aber darin viele Beispiele für Schürzen zum Umbinden, die schon damals zum Teil als „Cocktailschürze“ eine ironische Note angenommen haben, oder nur noch als Zitat zu verstehen sind. Winzig kleine Schürzen zum Umbinden, ohne Latz, vollkommen funktionslos.

    Anderes Thema: dass schwarz sich sehr schlecht fotografiert und wenig hermacht, frustriert mich immer etwas beim Me made Mittwoch. Wenn es um die Wirkung im Blog ginge, müsste ich auf rot oder Pastellfarben umschwenken. Aus den internen MMM-Statistiken weiß ich, dass rote Kleider mit Abstand am meisten angeklickt werden. Helles und Buntes kommt gleich danach.

  5. Ich werde 60 Jahre, für mich triff genau zu, dass ich den Kittelschürzen meiner Kindheit und Jugend entflohen bin. Sonntagskittelschürzen, Alltagskittelschürzen, darüber bei bestimmten Anlässen noch Dreckschürzen……….. Darüber könnten wir längeren Austausch in Kommentaren haben. Auch diese kleinen unnützen Cocktailschürzen………….
    Dein Literaturtip kommt mir gerade sehr gelegen. Eine Freundin mit ähnlicher Erfahrung in der Vergangenheit möchte gerne zu Kittelschürzen recherieren und sie hat Geburtstag. Mein Hausantiquar hat das Buch gerade besorgt. Danke
    Gruß Mema

  6. Noch etwas zu deiner schwarzen Schürze. Ich bin nicht mehr ganz sicher aber in meiner Erinnerung gehört diese Art schwarze Schürze zur (schon aufgelockerten) Trauerkleidung die ja im „letzten Jahrtausend“ noch viel länger und öffentlicher getragen wurde. Alte Frauen trugen schwarz (mit weiß aufgelockert) als Witwen häufig für den Rest ihres Lebens. Die „Nichttrauer-“ Schürze war oft blau weiß oder grün weiß.
    Gruß Mema

  7. Sehr toll, diese alte Schürze – ob die wohl wirklich auch etwas mit Trauerkleidung zu tun hatte? Könnte man sich schon vorstellen. Oder es war wahlweise die Schürze für verheiratete Frauen ;)

    Und, ich bekenne: ich bin eine Schürzenträgerin. Und zwar ausschließlich und immer nur beim Backen. Irgendwann – und das ist schon länger her – hat es mich doch genervt, dass ich nach dem Backen immer zahlreiche tolle mehlige Händeabdrücke auf den Hosen/Röcken hatte. Sehr zum Amusement anderer. Irgendwann hab ich mir dann zwei schöne 60er Jahre Schürzen gekauft, eine hängt sogar immer am Handtuchhaken (unter dem Handtuch) in der Küche. Inzwischen mag ich das sogar, genau die von dir beschriebene Abgrenzung von Arbeitstätigkeiten hat was. Ich backe allerdings auch sehr gerne (also wesentlich lieber als kochen), von daher ist das ohnehin positiv besetzt.
    (Ganz nebenbei: dazu trage ich dann auch noch ein Kopftuch (ein Piratentuch der Kinder), kürzlich hat sich der Nachbar fast vor Lachen überschlagen als ich um Eier betteln gehen musste.)

    Zu den Kittelschürzen der Generation meiner Mutter (auf dem Land) allerdings hab ich ein schon ein sehr zwiespältiges Verhältnis. Einerseits praktisch mit den Taschen und in bunt auch ganz in Ordnung – aber eben doch ziemlich wenig feminin und einfach zu „joborientiert“, um wirklich schön zu sein; das verbunden mit der zementierten Frauenrolle – nein, danke: http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/frautv/videobonusvideogenerationkittel102_size-L.html?autostart=true#banner

    Ob der Begriff „Schürzenjäger“ in 100 Jahren noch im Duden steht oder dann eher im etymologischen Lexikon?

    • Meine Familie kennt das, wenn ich putzen und aufräumen muss: Dann setzte ich mir immer irgendwas auf den Kopf. Das mache ich unbewusst, so als wäre die Sache dann eher ein Schauspiel mit Verkleidung und Spaß. Gummihandschuhe sind dafür auch super geeignet, da vergisst man keine Sekunde, was man eigentlich machen wollte.

  8. Ein sehr ambivalentes Thema.
    Ich denke auch, dass es sich bei deinem schwarzen Stück eher um eine Schürze, der Trauerzeit handelt und ich würde sie früher datieren. Ich selbst habe eigentlich kein sehr gespaltenes Verhältnis zur Schürze.die Zeit, als ich Schürze nur mit alt und Hausfrauendasein verbunden habe, ist lange vorbei. Schürze nur weiblich zu sehen ist auch einseitig. da bis in die Hälfte 20.Jh. viele Kleidungstücke gar nicht mit Wasser zu reinigen oder später chemisch zu reinigen waren,wurden bei vielerlei Arbeit von Männern u n d Frauen Schutzkittel getragen, die aus BW und waschbar waren. Es hatte nichts mit Hausmütterchen zu tun. Auch Kinderkleidung mußte geschützt werden. Jungen, als auch Mädchen trugen bist fast Schuleingangsalter Schürzen zum Schutz ihrer Kleidung. Erst die Entwicklung von Stoffen, die problemlos waschbar waren, hat dieses Teil in eine ganz andere Ecke geschckt.
    Da es ein Stück der täglichen Kleidung war, hat man ihr auch die gleiche Aufmerksamkeit bei der Fertigung zukommen lassen, wie anderen Kleidungstücke auch. So faszinierst mich heute der Aufwand und die liebevolle Gestaltung des Schutzstückes der alten Modelle.
    Ich werde meine auch mal fotografieren.
    Und Jeans sind eine Art Schürze, wenn man so will. Sind sie doch als Arbeitshose entstanden und tauglich gewesen. Sie können allerhand Dreck ab. Daran kann ich mir auch mal die Hände abwischen, ohne dass es gruselig aussieht. Das geht schon bei einem uni-Rock nicht mehr. Es ist ein Gebrauchtsgegenstand und hat keine poltische Aussage, wenn ich mir eine Schürze umbinde.
    Befreite Grüße karen

    • Liebe Karen,
      du beschreibst den wichtigen realen Anteil der Funktion der Schürzen und Kittel. Männer trugen auch diese Arbeit Arbeitskleidung zum Schutz der Kleidung. Und Jeans sind eine Art Arbeitskleidung; völlig richtig.
      Hauskleidung hat aber eben leider in der Vergangenheit noch weitere Funktionen für die Frauen gehabt. Susna weisst in ihrem Ursprungspost darauf hin. Nur einer kleinen Gruppe von Frauen ist es bis heute gelungen sich daraus wirklich zu befreien. Nur ist die Schürze nicht mehr Symbol dafür. Was sind eigentlich die modernen Symbole?
      Wenn ich wüßte wie es geht, dann hätte ich ein Foto angehängt. Die jugendliche Mema in Kittelschürze, Blockflöte spielend im Kreise ihrer Geschwister……….
      Ein schönes Wochenende

      • Mir geht es wie Wiebke, ich finde das mit den Jeans auch einen guten Hinweis. Die Schürze nach dem Backen auszuziehen vergesse ich allerdings seltener ;)

      • Ich wage mal eine Theorie: Frauen sollen heutzutage immer zum Sex bereit sein, deshalb tragen sie Pushup-BHs, tiefe Ausschnitte, Hüfthosen mit sichtbarem Arschgeweih und Stringtanga, Lippenstift,…

        Bitte versteht mich richtig: Ich mache mich auch gern mal schön und trage dann auch gern mal Lippenstift. Aber diese „Pflicht“, sich täglich aufzudonnern, finde ich schrecklich.

        Warum soll alles traditionell weibliche eigentlich schlecht sein und alles traditionell männliche erstrebenswert? Frauen mit kurzen Haaren, in Hosen und als Bauingenieurinnen? Cool!
        Männer mit Schürze, Stöckeln oder in rosa gekleidet? Meist eine Lachnummer…

        Für mich bedeutet Emanzipation, dass ich mir aussuchen kann, wie ich lebe und was ich anziehe. Ich will weder auf Röcke noch auf Hosen verzichten. Ich will weder arbeiten noch zuhause bleiben MÜSSEN.

        Liebe Grüße,
        Henriette

  9. Vielen Dank allen, ich hab schon wieder viel gelernt.
    Mir war nicht klar, dass Schürzen solche Aversionen hervorrufen können. Wahrscheinlich verbinde ich mit Schürzen oder Kitteln keine Statusfragen, weil auch meine Mutter nie welche getragen hat, und meine Oma allenfalls zum Kochen eine Halbschürze. Nach euren Erzählungen wird mir nun verständlicher, warum das Buch so agitiert. Aber ich finde es eben schade, dass sachliche Informationen in den Hintergrund treten, wenn man seine Forschungen mit einem bestimmten politischen Anliegen betreibt und unbedingt eine bestimmte These belegen will. Die Frage der Trauerschürze, Karens Schilderungen, die Jeans als heutige Schürze, solche Aspekte interessieren mich.
    Daher vielen Dank, und wenn wer noch mehr weiß, immer her damit.

    Noch vergessen: Karen, wohin würdest du die Schürze denn datieren? Vor die 20er? In den 20ern sahen Schürzen jedenfalls in den Kaufhauskatalogen anders aus, aber das muss ja auch nicht viel heißen.

  10. Im Museum europäischer Kulturen bei euch in Berlin ist eine ansehnliche Schürzensammlung, zum Teil hier auch online zu finden:
    http://www.smb-digital.de/eMuseumPlus?service=RedirectService&sp=Scollection&sp=SfieldValue&sp=0&sp=0&sp=3&sp=Slightbox_3x4&sp=0&sp=Sdetail&sp=0&sp=F

    Ich habe kürzlich von der zuständigen Wissenschaftlerin einen Vortrag über Schürzen gehört, in dem sie unter anderem erzählte, wie üblich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Schürzen zur Kleidung von Kindern und Frauen gehörten und das man eine klare Hierarchie zwischen Sonntags- und Alltagsschürze hatte (also durchaus auch Zierde und nicht nur schützende Funktion). Der Artikel soll Ende des Jahres veröffentlicht werden und ich kann dir gerne Bescheid sagen, wenn ich dazu Neueres höre.

    Ich hegte lange eine leidenschaftliche Abneigung gegen Schürzen (außer den leuchtend blauen der Südtiroler Männer), bis mir eine Freundin aus Lissabon eine Kittelschürze in Wickelform mitbrachte, die sie dort einer alten Strassenverkäuferin abgekauft hatte, weil sie das Muster an eine gemeinsame Begebenheit erinnerte. Dieses (sehr spiessige) Teil trage ich mit Stolz und Begeisterung und inzwischen so ohne weitere Überlegung, dass ich es zum Plätzchenbacken in die Schule mitnahm. Meine elterliche „Mitbäckerin“ war zutiefst irritiert…

    Ein ergiebiges Thema; tut mir Leid für die Textflut.
    LG, Bele

    • Textflut mit wertvollem Inhalt ist mir immer sehr lieb :-). Der Artikel würde mich natürlich interessieren. Ich müsste mal mehr zu den Berliner Vorträgen gehen. Ich bekomme Einladungen, aber raffe mich dann nicht auf. Vielen Dank auch noch einmal für deine Infos beim bemalten Seidenkleid, ich bin sehr froh, dass du immer Hintergrundwissen hast!

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